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Die DAkkS-Geschichte


Die Deutsche Akkreditierungsstelle hat im Januar 2010 ihre Arbeit aufgenommen. Für das Bundeskartellamt ist ihre Existenz ein Affront gegen die europäischen Wettbewerbsbestimmungen. Kunden der DAkkS klagen über höhere Kosten bei längerer Bearbeitungszeit. Die Webseite des letzten Konkurrenten ist eingefroren, sein Büro nicht mehr erreichbar. Und wenn man sich die Entstehungsgeschichte der DAkkS anschaut, fragt man sich ähnlich wie bei der Betrachtung deutscher Film- & Fernsehproduktionen: Warum spielen da immer die gleichen Leute mit?
Und: Worum geht es eigentlich?
Akkreditierungsstellen bescheinigen Prüflaboren, Kalibrierdiensten und Zertifizierern von Managementsystemen wie ISO 9001, so genannten Konformitätsbewertungsstellen (KBS), dass diese über entsprechend ausgebildetes Personal, notwendige Infrastruktur und Kenntnisse verfügen und alle sie betreffenden Gesetze und Verordnungen einhalten. In vielen, z.B. sicherheitsrelevanten Bereichen ist die Akkreditierung Pflicht, sie ist aber nicht grundsätzlich vorgeschrieben. So darf die Zertifizierung von Managementsystemen beispielsweise prinzipiell von jedem durchgeführt werden. In der Praxis ist eine Akkreditierung aber die Voraussetzung für den Marktzugang, da sich kaum ein Unternehmen von einem nicht akkreditierten Zertifizierer überprüfen lässt.
Bis Ende 2009 gab es etwa ein Dutzend dieser Akkreditierer, heute sind es noch zwei: Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) und die Gesellschaft für Akkreditierung und Zertifizierung (GAZ). Die DAkkS weist nun seit September 2010 "nachdrücklich darauf hin, dass die Akkreditierungstätigkeit der GAZ seit Beginn des Jahres gesetzeswidrig" seien. Die GAZ sieht das anders und wartet seit August letzten Jahres auf eine ihr Überleben sichernde Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi). Bisher vergeblich.
Unmittelbarer Auslöser dieser Auseinandersetzung war die im Juli 2008 in Kraft getretene "Verordnung (EG) 765/2008 des europäischen Parlaments und des Rates", welche die Akkreditierungstätigkeiten der europäischen Nationen vereinheitlichen sollte. Der Ursprung des Streites liegt aber noch weiter zurück. Und es geht natürlich auch um Geld.
In Deutschland sind allein im Bereich der Zertifizierung von Managementsystemen über 400 Stellen akkreditiert, welche die aktuell fast 50.000 nach ISO 9001 zertifizierten Unternehmen jährlich auditieren. Für ein Überwachungsaudit in einem kleinen Unternehmen werden mindestens 1.500 Euro in Rechnung gestellt, das Hauptaudit alle drei Jahre kostet gut das Doppelte. Der TÜV Nord, eine der größten KBS, wies für den Unternehmensbereich Zertifizierung im Jahre 2009 einen Umsatz von 42,4 Mio. Euro aus. Der Wettbewerb innerhalb dieses Zertifizierungssystems wurde von vielen Seiten kritisch gesehen: Wie unabhängig kann ein Prüfer sein, der vom Prüfling bezahlt wird - zumal, wenn der Prüfling den Prüfer frei wählen kann? Es stellte sich also die Frage: Wer überprüft die Prüfer? Ende der 1980er Jahre gründeten verschiedene Unternehmensverbände die ersten Akkreditierungsstellen zum Zwecke der Überwachung der KBS, u.a.:
1989 unter Beteiligung europäischer Stahl- und Metallunternehmen die schon erwähnte Gesellschaft für Akkreditierung und Zertifizierung mbH (GAZ).
1990 vom BMWi das Deutsche Akkreditierungssystem Prüfwesen (DAP) und die Trägergemeinschaft Akkreditierung (TGA), zu deren Gesellschaftern u.a. der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) gehören.
1992 wird unter Beteiligung der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GdCH) die Deutsche Akkreditierungsstelle für Chemie (DACH) gegründet und die vom BMWi gegründete DAP privatisiert.
Ebenfalls 1992 entstand als Dachverband der Deutsche Akkreditierungsrat (DAR), zu dessen Mitgliedern unter anderen das BMWi, das Deutsches Institut für Normung (DIN) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zählten, eine in dieser Mischung aus staatlichen Stellen und Wirtschaftsvertretern in Europa einmalige Konstruktion. Die Aufgaben des DAR bestanden im Wesentlichen in der Dokumentation aller Akkreditierungen, der Interessenvertretung in europäischen Gremien und der Regelung der Zusammenarbeit der deutschen Akkreditierungsstellen. Die Mitgliedschaft war jedoch freiwillig und die rechtliche Position des DAR unklar und umstritten. Es gab sowohl private, vom Staat bevollmächtigte Akkreditierungsstellen als auch eigene Akkreditierungsstellen der Länder und des Bundes. Häufig überschnitten sich die Zuständigkeiten und widersprachen sich die Interessen, und die Unterteilung in gesetzlich geregelte und ungeregelte Bereiche machte die Sache nicht übersichtlicher.
Federführend bei Aufnahmeanträgen für den DAR war die Trägergemeinschaft für Akkreditierung (TGA), die unter starkem Einfluss des BDI stand und, auch dies umstritten, gleichzeitig als Akkreditierer und als KBS tätig war. Die Kriterien für die Aufnahme in den Dachverband waren nicht klar definiert, und so verwunderte es kaum, dass 2002 eine Akkreditierungsstelle, deren Aufnahmegesuch beim DAR abgelehnt worden war, Klage beim Bundeskartellamt einreichte. Das Bundeskartellamt erwirkte daraufhin, dass die TGA ihre koordinierende und überwachende Tätigkeit im Juni 2003 aufgab und der DAR seine Aufnahmekriterien klarer definierte. In diesem Zusammenhang untersuchte das Bundeskartellamt auch die Bestrebungen der EU, die Akkreditierungsregeln zu vereinheitlichen. In einer Entschließung des Rates der Europäischen Union vom November 2003 heißt es, es solle "insbesondere darauf geachtet werden, […] dass ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen Stellen vermieden wird." Das Bundeskartellamt sah darin eine Verletzung des Artikels 81 Absatz 1 des EG-Vertrags, der alle Handlungen verbietet, welche zu einer "Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs" führen können. Diese Einschätzung des Bundeskartellamts führte im Oktober 2003 wiederum zu einer Beschwerde bei der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission. Diese Beschwerde wurde ein Jahr lang nicht bearbeitet, und so kam es im November 2004 zu der ersten von vielen Eingaben beim Europäischen Bürgerbeauftragten.
Nach über drei Jahren Bearbeitungszeit wies die Kommission im Januar 2007 die Beschwerde zurück. Die Begründung stützt sich im Wesentlichen auf drei Argumente:
Das wirtschaftliche Interesse sei mit einem geschätzten EU-weiten Volumen von maximal 100 bis 150 Millionen Euro im Bereich der Akkreditierung sehr gering.
Die Beschwerde werfe Detailfragen auf, deren Klärung mit einem enormen Ermittlungsaufwand verbunden wäre.
Der Aufwand zur Prüfung dieser Fragen wäre umso mehr unverhältnismäßig, als zurzeit an gesetzlichen Neuregelungen zur Akkreditierung gearbeitet werde.
Der Bürgerbeauftrage folgte in seiner im September 2008 bekannt gegebenen Ablehnung der Beschwerde den Argumenten der Kommission. Seit der ersten Beschwerde waren sechs Jahre vergangen, die von der Kommission angesprochene gesetzliche Neuregelung existierte seit Juli 2008. In der Verordnung (EG) 765/2008 wird - entgegen den Bedenken des Bundeskartellamtes - gefordert, dass jede Nation höchstens eine Akkreditierungsstelle benennt und mit hoheitlichen Rechten beleiht. Damit sollten Mehrfachakkreditierungen und Kommerzialisierung vermieden, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit hergestellt werden. Stichtag für die nationale Umsetzung: 01. Januar 2010.
Es vergehen 10 Monate, bis am 12. Mai 2009 der Gesetzentwurf für das deutsche Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG) steht. Darin ist die Rede von "4.600 bestehenden Akkreditierungen", einer "Anschubfinanzierung" der zu gründenden Organisation von 2,36 Mio. €, "jährlichen Ersparnissen durch Bürokratieabbau gegenüber dem jetzigen System von 295.000 €". Und: "Dem Bund und den Ländern eröffnen sich durch das Gesetz aber auch Einsparpotentiale. Das Gesetz erlaubt es, dass eine nationale Akkreditierungsstelle Akkreditierungstätigkeiten übernimmt, die bislang von verschiedenen Stellen vorgenommen wurden."
Bis zum Stichtag sind es noch gut sieben Monate. Wird die Verordnung (EG) 765/2008 nicht fristgerecht umgesetzt, drohen Klagen und Strafen. Von nun an muss es schnell gehen - und es geht schnell:
Keine 2 Monate später, am 31. Juli 2009, wird das "AkkStelleG" verabschiedet. Eine Woche später, am 05. August, treffen sich in Frankfurt am Main die Geschäftsführer der TGA, DAP und DACH, Dr. Facklam, Prof. Dr. Ziegler und Dr. Steinhorst und unterschreiben den Verschmelzungsvertrag zur DGA - Deutsche Gesellschaft für Akkreditierung. Gesellschafter sind u.a. der Verband der TÜV, der Mineralölverband, der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau.
Gemeinsame Geschäftsführer sind Dr. Facklam, Prof. Dr. Ziegler und Dr. Steinhorst.
Laut Präambel des Gesellschaftsvertrages ist es Ziel der Gesellschaft, "beliehen" zu werden, d.h. die Position der nationalen Akkreditierungsstelle einzunehmen. Bei der Verschmelzung nicht dabei: Dr. Schlothmann, Geschäftsführer der GAZ, der einzigen anderen Akkreditierungsstelle, die auch im nicht gesetzlich geregelten Bereich tätig ist. In einem Brief an die Vorsitzende des DAR, Frau Dr. Wloka, weist Dr. Schlothmann Anfang Oktober 2009 auf rechtliche Konsequenzen hin:
- Die Akkreditierung der drei Unternehmen beim DAR sei durch die Fusion nicht automatisch auf die neue DGA übergegangen. Damit seien deren Beurkundungen nicht rechtens und aus der Datenbank des DAR zu entfernen.
- Eine Aufnahme der DGA in den DAR sei ausgeschlossen, da durch die Beteiligung unter anderem des TÜV die in DIN EN ISO/IEC 17011 geforderte Unabhängigkeit nicht gewährleistet sei. Dr. Schlothmann erhält eine automatische Antwortmail mit dem Hinweis, Frau Dr. Wloka sei bis Ende Oktober nicht erreichbar.
Währenddessen wird im Oktober 2009 die DAkkS gegründet. Geschäftsführer ist Norbert Barz vom BMWi, Gesellschafter zunächst zu 100% der Bund.
Am 21. Dezember 2009 werden die Beleihungsverordnung und die Kostenverordnung gemäß AkkStellenG verabschiedet: Beliehen mit der Aufgabe einer nationalen Akkreditierungsstelle wird die DAkkS. Damit ist der Plan der DGA, selbst beliehen zu werden, gescheitert. Offensichtlich ist man darauf vorbereitet, denn zwei Tage später, am 23. Dezember, wird der Verschmelzungsvertrag zwischen der DAG und der DAkkS unterschrieben. Gesellschafter ist nun zu 2/3 der Bund und zu 1/3 der BDI. Es ist geschafft: Eine Woche vor Ablauf der Frist existiert eine deutsche Akkreditierungsstelle. Zweiter Geschäftsführer der DAkkS neben Norbert Barz wird Dr. Thomas Facklam (ehemals Geschäftsführer der TGA). Dr. Andreas Steinhorst (ehemals Geschäftsführer der DAP) wird Leiter der Abteilung Stabsstellen und Verwaltung, Prof. Dr. Kurt Ziegler (ehemals Geschäftsführer der DACH) Leiter der Sonderstelle Auslandstätigkeiten.
Am 27. Januar 2010 wendet sich die DAkkS erstmalig mit der Forderung an die GAZ, alle notwendigen Daten und Informationen zur Verfügung zu stellen, um ihrer Überwachungspflicht nachkommen zu können. Die GAZ verweigert die Herausgabe der Kundendaten unter anderem mit dem Hinweis auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Gleichzeitig bestätigt sie aber der DAkkS den Anspruch auf alleinige Zuständigkeit bei der Akkreditierung - allerdings nur für den Bereich der harmonisierten, europaweit geltenden Normen. Die Akkreditierung von KBS, die nach Verbandsrichtlinien oder nationalen, noch nicht harmonisierten Normen arbeiten, sei im AkkStelleG nicht geregelt und somit stehe man dort im Wettbewerb miteinander. Die Existenz dieses im AkkStelleG nicht geregelten Bereiches bestätigt die DAkkS selbst durch ihren Gesellschaftsvertrag, in dem als Gegenstand der Gesellschaft auch "andere Akkreditierungstätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereiches des AkkStelleG" genannt werden. Nichtsdestotrotz beharrt die DAkkS auf Herausgabe der Daten und alleinige Zuständigkeit für alle Akkreditierungen und droht der GAZ mit Klage.
Die Pressestelle des BMWi bestätigt auf Anfrage, dass "verschiedene Seiten rechtliche Maßnahmen erwägen oder solche bereits eingeleitet haben". Ansonsten könne man sich "zu diesen schwebenden Verfahren nicht äußern", ergänzt jedoch: "Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der EU-VO Nr. 765/2008 bei Akkreditierungen auf 'harmonisierte Normen' findet sich dort keine Grundlage." Keine Stellung nahm das BMWi zu der Frage, ob die Beteiligung des BDI an der DAkkS nicht der EG-Verordnung widerspricht: Darin heißt es, die nationale Akkreditierungsstelle dürfe kein "finanzielles oder geschäftliches Interesse an einer Konformitätsbewertungsstelle haben". Unter anderem der VDMA und der Verband der TÜV sind Mitglieder aber des BDI und unterhalten eigene Konformitätsbewertungsstellen.
Laut Verordnung (EG) 765/2008 darf die DAkkS keine Gewinnabsicht haben und die Gebühren lediglich der Deckung der Personal- und Sachkosten dienen. So hoffte man auf Seiten der KBS zumindest auf gleich bleibende Kosten. Insbesondere kleinere Labore kritisieren mittlerweile, dass sich die Preise für die Akkreditierung jedoch teilweise verdoppelt haben. Der Kostenverordnung der DAkkS ist zu entnehmen, dass für die Erstakkreditierung eines Labors mit bis zu 12 Mitarbeitern für die Antragsprüfung 2.775 € fällig werden. Für eine eintägige Begutachtung vor Ort inklusive Vor- und Nachbearbeitung werden 5.680 € in Rechnung gestellt. Dazu kommen die Kosten für die Ausstellung der Urkunde (550 €), Reisekosten und sonstige Spesen.
Die KBS hatten sich von der DAkkS auch eine effizientere und transparentere Abwicklung versprochen. Der Verband der akkreditierten Zertifizierer (VAZ) bedauert, dass sich die Hoffnung auf vereinfachte Abläufe durch eine zentrale Stelle bisher leider nicht erfüllt habe. Im Gegenteil dauere die Bearbeitung oft Monate länger als zugesagt.
Es gibt wohl noch Koordinationsschwierigkeiten zwischen den sechs Abteilungen der DAkkS mit ihren insgesamt 77 Fachbereichen. Eine Mitarbeiterin des DAkkS erklärte dies so: "Wird sind jetzt eben eine Behörde".

Quellen (Auswahl):
www.bmwi.de; www.dakks.de; www.gaz-online.de; www.eur-lex.europa.eu; www.vmpa.de; www.ombudsman.europa.eu/decision/de/070454.htm; www.iso.org; www.vaz.de; Dr. Peter Szent-Iványi: Liberalisierung und Deregulierung des deutschen Messwesens; April 2008, im Auftrag Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Prof. Dr. Röhl, Ass iur. Schreiber: Konformitätsbewertung in Deutschland, April 2006, im Auftrag des BMWi Tobias Pierlings, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Referat L1 - Pressestelle



 

 
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